In Deutschland gibt es verschiedene politisch vorgegebene Existenz- und Teilhabeminima bzw. Armutsgrenzen. Diese können als unterste Richtwerte für die Höhe des Grundeinkommens betrachtet werden. Im Einkommensjahr 2024 müsste sie demnach zwischen 1.400 Euro und 1.600 Euro (netto) liegen. (Siehe mein Beitrag auf grundeinkomemn.de)

1. Armutsrisikogrenzen (netto, monatlich, Einkommensjahr, Alleinstehende)

Eine Erhebung der Einkommen und Bestimmung Armutsgrenze findet über die EU-SILC (European Union Statistics on Income and Living Conditions) statt. Seit 2020 fließt sie auch in die Erhebung des Mikrozenus‘ (MZ) ein, um den bisher unzulänglichen Mikrozensus zu qualifizieren (Gründe vgl. Blaschke 2020, vgl. Statistisches Bundesamt). Nach der Erhebung im Rahmen der EU-SILC ergeben sich die folgenden Armutsrisikogrenzen nach EU-Standard für Deutschland*:

2013: 907 Euro;

2014: 1.033 Euro;

2015: 1.064 Euro;

2016: 1.096 Euro;

2017: 1.136 Euro;

2018: 1.176 Euro;

2019: 1.300 Euro;

2020: 1.247 Euro;

2021: 1.250 Euro;

2022: 1.310 Euro (ergänzt am 11. April 2024, vgl. Statistisches Bundesamt)

2020 und 2021 gingen die Einkommen und damit auch die Einkommensarmutsgrenze coronabedingt 2021 und 2022 zurück. Die oben ausgeführten jährlichen Vorcorona-Steigerungen der EU-SILC-Armutsrisikogrenze betrugen durchschnittlich 50 Euro. Unter der Annahme, dass dies auch die jährliche Mindeststeigerung der Armutsrisikogrenze in der Nachcorona-Zeit ist, ergibt sich für 2024 ein geschätzter Wert der EU-SILC-Armutsrisikogrenze von mindestens 1.400 Euro. Dies ist ein konservativ hochgerechneter Wert, da sich die Einkommen in den Nachcoronajahren 2023 und 2024 stark erhöht haben bzw. stark erhöhen werden (kräftige Erhöhungen Löhne, Renten, Grundsicherungsregelleistungen zwecks versuchtem Inflationsausgleichs usw.).

Dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge entwickelte sich die Armutsrisikogrenze nach EU-Standard wie folgt**:

2000: 830 Euro;

2001: 831 Euro;

2002: 859 Euro;

2003: 860 Euro;

2004: 875 Euro;

2005: 876 Euro;

2006: 906 Euro;

2007: 934 Euro;

2008: 955 Euro;

2009: 985 Euro;

2010: 999 Euro;

2011: 1.013 Euro;

2012: 1.024 Euro;

2013: 1.031 Euro;

2014: 1.055 Euro;

2015: 1.087 Euro;

2016: 1.128 Euro;

2017: 1.168 Euro;

2018: 1.216 Euro;

2019: 1.266 Euro;

2020: 1.343 Euro.

Von 2015 bis 2020 steigerte sich der Wert pro Jahr im Durchschnitt um ca. 50 Euro, sodass sich – bei gleicher Steigerung – für 2024 eine hochgerechnete Armutsrisikogrenze für 2024 von ca. 1.540 Euro ergibt. Dies ist ebenfalls eine konservative Hochrechnung.

Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) wird vom Statistischen Bundesamt alle fünf Jahre gemäß EU-Standard erhoben. Ihr zufolge entwickelte sich die Armutsrisikogrenze in Deutschland wie folgt**:

2003: 1.017 Euro;

2008: 1.052 Euro;

2013: 1.189 Euro;

2018: 1.364 Euro.

Bildet man den Durchschnitt der drei fünfjährigen Steigerungen, so kommt man auf gut 100 Euro. Legt man diese durchschnittliche Steigerung zugrunde, so beläuft sich die erst 2025 zu veröffentlichende Armutsrisikogrenze für 2023 auf ca. 1.460 Euro. Auf 2024 hochgerechnet liegt der entsprechende Wert bei ca. 1.480 Euro.

Zwischenfazit: Den bisherigen Berechnungen zufolge müsste die Höhe des Grundeinkommens im Jahr 2024, zwischen 1.400 Euro und 1.540 Euro betragen, wenn es Einkommensarmut verhindern soll.

2. Pfändungsfreigrenze (netto, monatlich, Alleinstehende)

Die unterste Pfändungsfreigrenze beträgt im Jahr 2024 rund 1.410 Euro. Diese gilt bis Juni 2024, danach erfolgt eine Erhöhung (Ergänzung am 28. Mai 2024: Die unterste Pfändungsfreigrenze beträgt ab dem 1. Juli 2024 rund 1.500 Euro. vgl. Bundesgesetzblatt 2024 I Nr. 165a vom 24.05.2024).

3. Max. Höhe von Hartz V, dem sogenannten Bürgergeld (netto, monatlich, Alleinstehende)

Kein Mensch im Grundeinkommensbezug soll mehr Anspruch auf eine Grundsicherung haben, denn das Grundeinkommen soll die Grundsicherung ersetzen. So muss also sichergestellt werden, dass niemand mit seinem Einkommen unter den maximalen Grundsicherungsbetrag fällt. Für Hartz V beträgt diese Grenze im Jahr 2024 1.511 Euro (siehe München: 563 Euro Regelbedarf plus angemessene Bruttokaltmiete – Mietobergrenze 781 Euro plus angemessene Heizungs-/ Warmwasserkosten bei ca. 2.000 Euro jährlich, 167 Euro, gesamt 1.511 Euro). Würde berücksichtigt, dass der derzeitige Regelbedarf ca. 200 bis 300 Euro zu niedrig ist (vgl. Blaschke 2021a und Blaschke 2021b), müsste der maximale Grundsicherungsbetrag sogar weit über 1.511 Euro liegen.

4. Freistellung von Rückzahlungspflicht BAföG-Darlehen für 2024 (netto, monatlich, Alleinstehende)

Wer nach Einsetzen der Rückzahlungspflicht weniger als 1.605 Euro verdient, kann sich auf Antrag an das Bundesverwaltungsamt vorübergehend von der Rückzahlungspflicht freistellen lassen (siehe Bundesverwaltungsamt).

5. Selbstbehalte bei Unterhaltsverpflichtungen (netto, monatlich)

Die Selbstbehalte bei Unterhaltspflicht liegen zwischen 1.200 Euro und 1.750 Euro. Die große Spannbreite des Betrags kommt dadurch zustande, dass er vom Erwerbsstatus der/des Unterhaltspflichtigen und dem Status bzw. dem Alter der/des Unterhaltsberechtigten (siehe https://www.kanzlei-hasselbach.de/blog/duesseldorfer-tabelle-2024/) abhängig ist. Im Durchschnitt beläuft sich der Selbstbehalt derzeit auf 1.475 Euro.**** Nicht berücksichtigt wurde wie bei der Bestimmung der Höhe der Grundsicherung (Punkt 3), dass sich die soeben genannten Selbstbehalte an den Erhöhungen der viel zu niedrigen Regelbedarfe anlehnen, also zu niedrig sind.

6. Fazit

Im Jahr 2024 müsste die Höhe des Grundeinkommens zwischen 1.400 Euro und 1.600 Euro betragen, wenn man sich an den politisch vorgegebenen Existenz- und Teilhabeminima orientiert bzw. wenn das Grundeinkommen Einkommensarmut verhindern soll.

* Vgl. https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ilc_li01/default/table?lang=en&category=livcon.ilc.ilc_ip.ilc_li und https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Lebensbedingungen-Armutsgefaehrdung/Tabellen/armutsschwelle-gefaehrdung-mz-silc.html. Bei diesen Angaben handelt es sich um die des Erhebungsjahres abgebildet. Erhoben werden aber die Einkommen des Vorjahres (Einkommensjahr). Daher habe ich die Jahresangaben in meiner Tabelle angepasst.

** Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Die Werte bis 2017 wurden mir per E-Mail am 20. Mai 2020 vom DIW übermittelt. Die Werte für 2018 finden sich im DIW-Wochenbericht 18/2021, S. 313, für 2019 im DIW-Wochenbericht 23/2022, S. 336, für 2020 im DIW-Wochenbericht 5/2024, S. 75.

*** Diese Angaben finden sind im 6. Armuts- und Reichtumsbericht, S. 480, https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/SharedDocs/Downloads/Berichte/sechster-armuts-reichtumsbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2

**** Maßgeblich ist nicht der Nettobetrag, der monatlich auf dem Konto der/des Erwerbstätigen eingeht. Vielmehr werden noch sog. berufsbedingte Aufwendungen (z.B. für Berufskleidung, Fahrtkosten) in Höhe von 5% des Nettoeinkommens abgezogen. Der Abzug liegt bei mindestens 50 € und maximal 150 € (siehe angegebene Quelle).

 

Wie hoch müsste ein Grundeinkommen im Jahr 2024 sein?
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