Blaschke, Ronald ; Kipping, Katja: Kurze Bemerkungen zum möglichen Umgang mit Bedenken gegenüber dem Grundeinkommen aus feministischer Sicht, 2008 (eine Ergänzung zur Zusammenfassung der Ergebnisse vom überparteilichen Runden Tisch der Frauen zum Thema: Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE): Traum oder Alptraum für Frauen? – Frauenpolitische Sichtweisen -, im November 2007)
Die „Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen“ (ÜPFI) und das „Netzwerk Grundeinkommen“ veranstalteten am 22. November 2007 von 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr im Deutschen Bundestag einen Runden Tisch zum Thema: „Das Bedingungslose Grundeinkommen – Traum oder Alptraum für Frauen?“. Organisiert wurde der Runde Tisch von Dr. Pia Kaiser (ÜPFI) und Katja Kipping, MdB, Sprecherin des Netzwerkes Grundeinkommen. Ein Eingangsreferat hielt Birgit Zenker, Vorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung und Sprecherin des Netzwerkes Grundeinkommen, ein weiteres Dr. Gisela Notz.
Es nahmen am Runden Tisch 21 Frauen aus Bundesverbänden, Initiativen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik teil.
Neben vielen grundsätzlichen Zustimmungen zum BGE wurden von einigen TeilnehmerInnen auch Befürchtungen aus spezifisch frauenpolitischer Perspektive artikuliert. Diese sollen hier kurz und knapp aufgelistet werden:
1. Ein Grundeinkommen kann generell zum Sozialabbau führen.[1]
2. Ein Grundeinkommen deckt mglw. nicht Bedarfe in besonderen Lebenslagen ab (Schwangerschaft, Alleinerziehung, chronisch Krankheit etc.).
3. Ein Grundeinkommen bewirkt nicht die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt (Lohn, Arbeitsbedingungen, Zugang zu allen Berufen und allen Hierarchieebenen)
4. Ein Grundeinkommen kann politisch als „Herdprämie“[2] benutzt werden.
5. Damit verbunden: Die Grundeinkommensdebatte rückt die Debatte um die gleiche Verteilung von Sorge- bzw. sozialer Reproduktionsarbeit in den Hintergrund.
6. Damit verbunden: Über der Finanzierung des Grundeinkommens kann die Finanzierung der sozialen Infrastruktur (Kindertagesstätten, Bildung usw.) aus dem Blick verloren werden.
Folgender Umgang mit diesen Befürchtungen ist möglich:
1. Das Grundeinkommen muss von der Höhe her und vom Verhältnis zu anderen sozialen Sicherungssystemen so ausgestaltet werden, dass eine Verbesserung der sozialen Absicherung aller Menschen bewirkt, nicht eine Verschlechterung. Dazu gehört auch, dass mögliche Mehrbedarfe in besonderen Lebenslagen über gesonderte Sozialsysteme abgesichert werden.
2. Das Grundeinkommenskonzept muss inhaltlich und finanziell mit einer Verbesserung (Ausbau, Demokratisierung) der sozialen Infrastruktur, insbesondere im Bereich Kindertagesstätten, Bildung, Beratung verbunden werden.
3. Eine Einführung eines Grundeinkommen, welches selbst einen Arbeitszeitverkürzungs- und Mindestlohneffekt hat, muss von weiteren Arbeitszeit- und Lohnpolitiken begleitet werden, die für alle Geschlechter den weitgehend selbstbestimmten Zugang zur Arbeit und die selbstbestimmte Wahl und Gestaltung der Arbeitszeiten ermöglichen und eine gleiche und ausreichende Bezahlung für die gleiche Arbeit garantiert.
4. Es bedarf eines weiteren kulturellen und politischen Kampfes a) für die gleichen Möglichkeiten für Frauen in Beruf und Arbeitswelt, b) für die gerechtere Verteilung von Sorge- bzw. sozialer Reproduktionsarbeit und c) für gleiche Möglichkeiten von Frauen im bürgerschaftlichen Engagement.
Der Punkt 1 und 2 ist in Grundeinkommenskonzepte (Ausgestaltung und Finanzierung) unmittelbar einzubauen. Die Punkte 3 und 4 sind Bestandteile der Einbettung eines Grundeinkommenskonzeptes in eine emanzipatorische Arbeits- und Sozialpolitik, die allerdings eine normative und kulturelle Fixierung auf die Lohn-/Erwerbsarbeit überwindet.
Fußnoten
[1] Zum Beispiel, wenn es nicht den Kriterien des Netzwerkes Grundeinkommen entspricht. Ein Kriterium für ein Grundeinkommen, was diesen Namen verdient, ist: Das Grundeinkommen muss die Existenz und Teilhabe sichern.
[2] „Herdprämie“ ist übrigens das Unwort des Jahres 2007, weil es Eltern, insbesondere Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, anstatt einen Krippenplatz in Anspruch zu nehmen, diffamiert – so die Begründung der geschlechterparitätisch besetzten Kommission, die das „Unwort des Jahres“ ermittelt.