Wenn es ums Klima geht, ist der Ruf nach dem Grundeinkommen nicht weit

Beitrag für die Website Klimareporter, Juni 2020

Ob nun Erich Fromm, André Gorz, Naomi Klein, Jason Hickel, Adelheid Biesecker, Erik Olin Wright oder Paul Mason – viele die sich mit einer sozialökologisch gewandelten Gesellschaft beschäftigt haben, empfehlen als wichtigen Bestandteil des Wandels und einer anderen Gesellschaft ein Grundeinkommen.

Das ist ebenso in aktuellen Forderungskatalogen, die notwendige politische Maßnahmen gegen Klimawandel und für eine Gesellschaft ohne Wachstumsimperativ behandeln – so im Aufruf hunderter Wissenschaftler*innen für ein Europa ohne Wachstum oder im Klimaplan von unten.

Dafür gibt es gute Gründe.

Zuvor eine Erklärung zum Grundeinkommen:

Grundeinkommen ist ein Geldbetrag, der allen Menschen individuell garantiert die Existenz sichert und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Der Grundeinkommensanspruch ist mit keinerlei Zwang zur Arbeit oder zu einer Gegenleistung und keinerlei Bedürftigkeitsprüfung (sozialadministrative Einkommens-/Vermögensprüfung) verbunden. Es ist eine monetäre Form der universellen und bedingungslosen Absicherung aller Menschen, neben gebührenfreien Zugängen zu sozialer Infrastruktur und Dienstleistungen und einer Gesundheits- und Pflegeabsicherung (Bürgerversicherung) für alle.

Wenn das Grundeinkommen die Existenz und Teilhabe eines jeden Menschen absichern soll, in Deutschland etwa mit 1.200 Euro netto (Armutsrisikogrenze), muss es umverteilend konzipiert werden. Das heißt, die oberen Einkommen und Vermögen sowie Gewinne werden so belastet, dass die unteren und mittleren Einkommen gewinnen. Auch wenn das Grundeinkommen allen zusteht, auch den Reicheren, entsteht damit eine gerechtere, egalitäre Gesellschaft. Wenn es stimmt, dass Wirtschaftswachstum ein Ersatz für Gerechtigkeit oder für Einkommensungleichheit ist (Jason Hickel, Richard Wilkinson/Kate Pickett), dann ist ein Gegenmittel das umverteilende Grundeinkommen. Denn der Charme des umverteilenden Grundeinkommens liegt nun im Gegensatz zu marktbasierten Umverteilungsmechanismen wie Löhnen, dass es Arbeitszeitverkürzung befördert und gleichzeitig allen Menschen der unteren und mittleren Einkommensschichten zugutekommt, nicht nur den abhängig Beschäftigten. Außerdem hat es im Gegensatz zu marktbasierten Umverteilungsmechanismen eine dekommodifizierende Wirkung: Es minimiert den Zwang seine Arbeitskraft zu Markte zu tragen, einen Zwang dem jede/r Lohnarbeitsfähige/r ausgesetzt ist. Das wäre aber „nur“ die eine, nämlich die distributive Seite der Grundeinkommensmedaille, die eine kapitalismus- und wachstumsnegierender Wirkung hat.

Die andere Seite der Medaille ist, dass das Grundeinkommen faktisch eine Demokratiepauschale ist. Es versetzt keineswegs nur in die Lage, nein zur Mitwirkung an destruktiver und desaströser Produktion zu sagen – also mit Abstinenz gegen die „Produktion“ abzustimmen. Es stärkt ebenfalls die Mitbestimmung im Betrieb und ermöglicht die erpressungsfreie Mitwirkung an der Gestaltung der Gesellschaft und der Produktionsziele und -bedingungen. Denn Argumente für vermeintlich notwendige Arbeitsplätze und für Wirtschaftswachstum ziehen weniger in einer grundeinkommensbasierten Demokratie, weil die grundlegende Absicherung aller gegeben ist. Außerdem sichert das Grundeinkommen die materielle Basis des politischen und bürgerschaftlichen Engagements.

Darüber hinaus ist es ein sicheres Fundament für den Aufbau solidarischer Ökonomien. Demokratisierung der Gesellschaft und der Produktion als auch deren Ausrichtung an den Bedürfnissen der Menschen sind nun zwei zentrale Forderungen der wachstumskritischen bzw. Degrowth-Bewegung, die auch dem Schutz des Klimas verpflichtet ist. Das Grundeinkommen befördert diese Demokratisierung.

Manchmal wird behauptet, dass das Grundeinkommen nur den Konsum ankurbeln würde, damit Wachstum befördert. Richtig ist, dass sich mit einem Grundeinkommen endlich auch die unteren Einkommensschichten die teureren, weil ökologisch nachhaltigeren, energieeffizienteren und emissionsärmeren Konsumgüter leisten könnten. Die Stärkung der Einkommen der unteren und mittleren Einkommensschichten ist erst recht nötig, wenn mittels Öko- oder Ressourcensteuern ökologisch unverträglicher Konsum verhindert und ökologisch verträglicher Konsum befördert werden soll. Das Grundeinkommen bewirkt, dass dabei die unteren und mittleren Einkommensschichten nicht abgehängt werden. Daher ist in vielen Grundeinkommensmodellen parallel zur Besteuerung von Energie- und Ressourcenverbrauch auch ein Ökogrundeinkommen bzw. Ökobonus Bestandteil des Gesamtkonzepts. Damit erfolgt ebenfalls eine Umverteilung von oben nach unten, weil in der Regel die oberen Einkommensschichten einen höheren Energie- und Ressourcenverbrauch haben, also mehr zahlen als sie über den Ökobonus zurückbekommen. Ein anderes Argument gegen die Unterstellung der ökologisch unverträglichen Steigerung des Konsums durch Grundeinkommen ist die Reduktion der Arbeitszeit. Viele Befragungen stützen die Annahme, dass ein Grundeinkommen Arbeitszeitverkürzung direkt befördert. Und nachgewiesen ist, dass in Gesellschaften mit kürzeren Arbeitszeiten ein geringerer ökologischer Fußabdruck zu verzeichnen ist. Auch ist eine mit Grundeinkommen demokratisch organisierte Produktion und Konsumtion weniger (oder gar nicht mehr) dem Profitprinzip unterworfen, schon von daher die kapitalimmanente Steigerung von Produktion und Konsumtion minimiert (bzw. eliminiert). Eine egalitäre Gesellschaft infolge der Umverteilung von Geld und Zeit durch ein Grundeinkommen wird ebenfalls dazu führen, dass sich gesellschaftliche Positionen und sozialer Status an Handlungen und Erfolgen der Menschen in verschiedenen Arbeits- und Tätigkeitsbereichen festmachen, weniger an Einkommensunterschieden, die sich im Konsum von positionalen und Statusgütern niederschlagen. Auch wird eine mit dem Grundeinkommen demokratisch organisierte Produktion entfremdete und nicht als sinnvoll erachtete Produktion und daraus resultierenden kompensatorischen Konsum erheblich minimieren.

Es gibt also viele gute Gründe, warum eine Gesellschaft mit einem Grundeinkommen der Natur, dem Klima und den natürlichen Ressourcen gegenüber eine freundlichere, schonendere Haltung aufweisen würde, als die bestehende Gesellschaft. Deswegen ist das Grundeinkommen ein Bestandteil der politischen Forderungen der Degrowth- und Klimabewegung und sozialökologischer Transformationsstrategien.

Quellen:

Ronald Blaschke (2016): Grundeinkommen und Degrowth: Wie passt das zusammen?, https://www.degrowth.info/de/2016/02/grundeinkommen-und-degrowth-wie-passt-das-zusammen/

Ronald Blaschke (2016): Keine nachhaltige ökologische Transformation ohne bedingungslose soziale Sicherung aller Menschen, https://www.degrowth.info/wp-content/uploads/2016/06/DIB_BGE.pdf  (english: https://www.degrowth.info/wp-content/uploads/2016/12/DIM_UBI-1.pdf)

Ronald Blaschke (2019): Emanzipatorisches Grundeinkommen und Postwachstumsgesellschaft, in: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung: Zukunft der Arbeit: Nachhaltig wachsen. Besser arbeiten. Gut leben, Köln, S.74-77.  

Erklärung von Wissenschaftler*innen aus der EU (2018): Europa, es ist Zeit, die Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum zu beenden, https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-09/postwachstumsoekonomie-wirtschaftswachstum-ressourcen-eu-lebensqualiteat-offener-brief/komplettansicht

Klimaplan von unten (2020), https://klimaplanvonunten.de/de/

Matthias Schmelzer / Andrea Vetter (2019): Degrowth/Postwachstum: zur Einführung, Hamburg.

Wenn es ums Klima geht, ist der Ruf nach dem Grundeinkommen nicht weit
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